Panorama

Dicke Luft in Spanien Madrid und Barcelona versinken im Smog

Das Auto ist den Spaniern heilig. Die Politiker wagen es nicht, den Autoverkehr in den Großstädten einzuschränken. Die Folge: die Luft in Madrid und Barcelona enthält mehr schädliches Stickstoffdioxid als von der EU zugelassen.

Die Skyline von Madrid.

Die Skyline von Madrid.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der Himmel über Spanien ist strahlend blau, der Frühling scheint vorzeitig Einzug gehalten zu haben. Die Idylle wird jedoch getrübt. Über Madrid und Barcelona hat sich ein bräunlicher Dunst angesammelt, der sich wie eine Glocke auf die Metropolen gelegt hat. Die Abgaswerte in der Luft schnellten auf ein Vielfaches des normalen Niveaus empor, Allergiker klagen über Atembeschwerden, in den Ambulanzen der Krankenhäuser warten mehr Patienten als sonst, die Ärzte raten von Sport im Freiem ab.

Ausgelöst wurde der Smog von einem Hochdruckgebiet, aber die Witterung ist nicht die eigentliche Ursache. "La boina" (die Baskenmütze), wie die Glocke von Abgasen in Spanien genannt wird, ist in Madrid und Barcelona kein neues Phänomen. Dieselruß und Stickstoffdioxid verpesten seit Jahren die Luft. Beim Stickstoffdioxid - einem vor allem von Dieselmotoren ausgestoßenen, Gas - überschreiten die beiden Millionenstädte schon seit Jahren die zulässigen Höchstwerte der EU.

Dabei hatte der Madrider Bürgermeister Alberto Ruiz-Gallardón noch kürzlich voller Stolz erklärt: "Die Qualität der Atemluft in der Hauptstadt ist besser als je zuvor." Die Staatsanwaltschaft fand jedoch heraus, dass die Luft sich in den vergangenen Jahren keineswegs verbessert hat. Es wurden nur niedrigere Abgaswerte festgestellt, weil die Verantwortlichen zu einem Trick gegriffen hatten: Sie hatten Mess-Stationen an besonders stark befahrenen Straßen abbauen und andere in Grünanlagen aufstellen lassen.

Anti-Autokampagnen kosten Wählerstimmen

Stau auf einer Straße in Madrid.

Stau auf einer Straße in Madrid.

(Foto: REUTERS)

"Die Madrider Atemluft ist miserabel", konstatierte Spaniens Umweltministerin Rosa Aguilar und verlangte "einschneidende Maßnahmen". Eine wirkliche Verbesserung - da sind sich alle Seiten einig - wird es jedoch nur geben, wenn der Autoverkehr eingeschränkt wird. An dieses heiße Eisen wagt sich jedoch kein Politiker heran. "Das Auto ist unantastbar", stellte die Zeitung "El País" fest. "Kein Bürgermeister einer Großstadt wird sich mit den Autofahrern anlegen."

Während es in anderen europäischen Metropolen längst Umweltzonen und Fahrverbote gibt, existieren in Spanien solche Projekte nur auf dem Papier. Ruiz-Gallordón hatte vor fünf Jahren großspurig einen Umweltplan präsentiert, wonach Autos mit hohen Abgaswerten - ähnlich wie in Berlin - aus der Madrider Innenstadt verbannt werden sollten. Das Vorhaben geriet jedoch bald wieder in Vergessenheit. Für die Stadtautobahnen von Barcelona hatte die katalanische Regierung aus Umweltschutzgründen ein Tempolimit von 80 km/h eingeführt. Dies soll aber nun wieder abgeschafft werden, weil die Autofahrer darin ein Ärgernis sahen.

"Die Spanier sind nicht bereit, auf das Auto zu verzichten", betonte der Politologe Angel Valencia. "Die verpestete Luft kostet die Politiker Wählerstimmen, aber Fahrverbote würden viel mehr kosten." Madrids Bürgermeister rief die Bewohner der Stadt kürzlich dazu auf, wegen des Smogs die Autos stehen zu lassen und die öffentlichen Verkehrsmittel zu nehmen. Das Resultat: Nur 0,2 Prozent der Autofahrer folgten dem Appell. "Die Politiker werden nicht für eine saubere Luft sorgen", befürchtet "El País". Das Blatt gab den unter dem Smog leidenden Bürgern den Rat: "Sie sollen um Regen beten."

Quelle: ntv.de, Hubert Kahl, dpa

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